Über Otto Flath
Selbstbildnis Otto Flath
Otto Flath (1906 – 1987)
1906 in Staritzke in der Ukraine geboren
1919 Vertreibung über Riga nach Schleswig-Holstein
1922 Lehre als Elfenbeinschnitzer bei Karl Schneider in Kiel
1925 Prüfung zum Bildhauergesellen
1927 Schnitzer in der Möbeltischlerei Jäger in Kiel
1928 Besuch der Kunstgewerbeschule in Kiel, Studium der Holzbildhauerei bei den
Professoren Blatzek und Schnoor
1932 Begegnung mit Ellen und Wilhelm Burmester. Gründung des "Kieler Künstlervereins"
Die ersten Arbeiten Flaths, die er während seiner Lehr- und Studienjahre schuf, sind im Archivbuch von Ellen Burmester überliefert. Flath hatte zu dieser Zeit noch keine eigene Linie, sondern orientierte sich in seinen Arbeiten an Vorbildern. Auf der Kunst- und Gewerbeschule hatte er sich einem jungen Tierplastiker angeschlossen, und dieses Sujet ist in seinem Werkeverzeichnis dieser Zeit besonders stark vertreten. Sehr humoristische Fabeltierzeichnungen bringt Flath auch 1932 mit in das Haus Burmester. Es sind ganze Bildergeschichten, die an die Arbeiten Wilhelm Buschs erinnern. Sie zeigen schon etwas von dem großen Talent, das in dem jungen Mann steckt, verbergen aber auch seine innere und äußere Problematik. Auch dies ein Zug, der auch dem alte Flath noch zu eigen war.
In der Bildhauerei orientiert sich Flath an den großen Vorbildern der Zeit, Barlach und Kollwitz, und nimmt auch ihre von Dramatik gekennzeichneten Sujets auf. "Bettler", "Blinde", "Anklage an die Natur" und "Flüchtlinge" sind die Themen seiner ersten Arbeiten.
Schon in diesen ersten Arbeiten zeigt sich ein besonderes Merkmal seines Schaffens. Flath ist in der Lage, das, was er in seinem Kopf entworfen hat, direkt in Bild oder Plastik umzusetzen. Flath ist ein Eidetiker. Von seinen ersten bis zu seinen letzten Zeichnungen finden sich nicht ein einziger fehlerhafter Strich, keine Korrekturen. Das gilt auch für seine plastischen Arbeiten in Holz. Sein großes Talent für Portraitarbeiten und Kopien anderer Werke, die er in erstaunlich kurzer Zeit fertig stellt, hat hier seine Quelle (z.B. die "Danziger Madonna" in sechs Tagen).
Religiöse Themen oder Motive finden sich in seinem Werk noch nicht.
Das Leben Flaths war bis zum Jahre 1932 gekennzeichnet von der Suche nach einem eigenen Weg und besonders auch von der schwierigen Wirtschaftslage dieser Zeit. Besonders junge Künstler hatten es schwer, sich über Wasser zu halten. Es fehlte an Arbeitsmöglichkeiten, an Material, an Ausstellungsmöglichkeiten und darum auch an Käufern. Trotz dieser recht niederdrückenden Lage, hielt Flath sich nach außen hin selbstbewusst und humorvoll. In sein Inneres ließ er niemanden schauen. Erst Ellen Burmester öffnete sich der junge Künstler, und sie gab ihm einen Stoß in die richtige Richtung. Ihr zeigte Flath, dass seine Arbeiten, wie "Bettler", "Anklage an die Natur" u.a. nicht nur Kopien Barlachscher Sujets sind, sondern auch viel von seiner eigenen Lebenslage spiegeln. Ellen Burmesters Reaktion: "Nicht die Not müssen sie darstellen, sondern wie man da herauskommt."
So brachte das Jahr 1932 eine bedeutende Wende im Leben Flaths. Burmesters nahmen ihn in ihre Familiengemeinschaft auf und schufen so mit den materiellen Grundlagen für Flath auch die Möglichkeit, sich einen eigenen Weg in der Welt der Kunst zu schaffen.
1932 - 1946
1936 Burmesters und Otto Flath siedeln nach Bad Segeberg um
1939 Flath wird Soldat (Luftabwehr)
1945 - 1946 Otto Flath kommt in amerikanische Kriegsgefangenschaft in einem Lager bei
München.
Das Werk "Trauernde", Werkenummer 53, aus dem Jahr 1931 zeigt eine Gruppe trauernder Menschen, die ihr Gesicht verbergend sich dem Betrachter zugewandt haben. Ihre Trauer ist anders als diejenige Trauer, die wir aus den Werken Barlachs oder Kollwitz´ kennen. Hilflosigkeit ist das stärkste Moment in dieser Plastik, und sie strömt von den Personen aus auf den Betrachter über. Die Menschen dieser Gruppe scheinen sich selber überlassen, und nirgendwo deutet sich ein Ausweg an. In dieser Arbeit zeigt sich die Gemütsverfassung des jungen Flath am deutlichsten.
Doch mit dem Eintritt in das Haus der Burmesters ändert sich das schlagartig und verschwindet für immer aus dem Leben Flaths. Die nächsten Arbeiten heißen schon "Freundschaft", "Zwei Menschen", "Die Heilige", "Der Helfende" oder "Betende Frau".
Flath setzt den neuen Lebensimpuls, den er im Hause Burmester empfangen hatte, sofort in seine Bildsprache um, und zwar ganz direkt. Nicht nur, dass sich seine wirtschaftliche Lage nun konsolidiert hat, er kam auch gleich zu einem Leitstern für sein ganzes späteres Leben, und das war Ellen Burmester. Flath hat diese Frau sein Leben lang sehr verehrt, und sie nimmt in seinem Werk einen ganz besonderen Platz ein. Vor allem aber war sie es, die Flath näher an den christlichen Glauben heranbrachte und damit seinem Schaffen die geistige Grundlage vermittelte.
Die starke humoristische Komponente seines Schaffens finden wir in seinen Arbeiten dieser Jahre zwar nicht wieder, doch kehrte sie in späteren Jahren in anderer Form zurück.
Flath greift alle Themen auf, die der Dreierbund ihm nahe legte. "Erlösung", "Der Betende", "Die Betende", "Inspiration" etc. Er schafft auch einige Portraitbüsten z. B. von K. Kollwitz, Ellen und Willi Burmester und sich selbst.
Doch die geistigen Inhalte seiner Arbeiten sind in diesen Jahren hauptsächlich aus den Titeln der Arbeiten zu lesen. In der Form seiner Arbeiten haben sie noch keine Verwirklichung gefunden. Eine gewisse Bedrückung und Enge ist allen Arbeiten anzumerken.
Von Ellen Burmester geleitet, geht Flath jedoch entschlossen in die Richtung "Innere Befreiung". Und Ellen Burmester ist bemüht, mit ihrem Schützling zusammen sich ein Weltbild zu erarbeiten. "Die Kunst ist die Schwester der Religion" steht ganz am Anfang der von Ellen Burmester geführten Archivbücher und blieb für die Gemeinschaft lebenslang das Motto ihres Wirkens. Es ist jedoch wichtig, anzumerken, daß Ellen Burmester eine sehr mystische Auffassung von Religion hatte und viele Elemente christlicher Sonderbekenntnisse, wie Rosenkreuzertum, Theosophie und Anthroposophie, in ihre Gedankenwelt mit aufnahm.
Man kann also nicht von einem rein christlichen Künstler sprechen.
Flath arbeitet so, dass er alle Begriffe, die Ellen in ihren Studien entdeckt und zu verbinden sucht, in Bild und Plastik umsetzt. Es wird auch deutlich, dass die innere Entwicklung Flaths diesem Streben nicht ganz nachkommt. Äußerlich entwickeln sich die von ihm geschaffenen Skulpturen in dieser Zeit nicht. Lediglich eine sich mehr und mehr bemerkbar machende erotische Komponente spiegelt etwas von Flaths Innenleben. Flath hatte - außer zu Ellen Burmester - keinen Kontakt zu Frauen, die für ihn als Partnerin in Frage kämen. Dieser Umstand und die Tatsache, daß Ellen Burmester der Frau in ihrem Weltbild eine übergeordnete Stellung zumaß, die Frau als Erlöserin sah, haben für Flath ganz sicher ein Problem dargestellt. Viele seiner Arbeiten stellen die Frau als Allegorie geistiger Inhalte dar. "Anmut", "Adagio", "Nachklang", "Höhenflug", "Gelassenheit" , "Frühlingswind", "Dämmerung" , "Träumerei", "Erdenferne", werden von ihm in Frauengestalt dargestellt (Sehnsuchtsmotive).
Leider verzeichnet das Archivbuch dieser Jahre nur die plastischen Arbeiten Flaths und somit auch nur einen Teil seiner künstlerischen Entwicklung. Ellen Burmester wollte außer der religiös motivierten Kunst keine andere Kunstgattung zulassen. Für sie war Kunst religiöse Verkündigung. Trotzdem hat Flath in seinem zeichnerischen Werk gezeigt, dass er auch Interesse an der modernen Malerei, besonders dem Futurismus hatte. Während der vierziger Jahre entstanden viele Zeichnungen, die sich experimentell mit den modernen Kunstrichtungen befassten. Ende der vierziger Jahre verschwanden diese Themen wieder aus seiner zeichnerischen Arbeit und kehrten erst Ende der siebziger Jahre wieder.
Zwischen 1940 und 1946 entstanden nur wenige Arbeiten. Ihre Themen sind, wie oben beschrieben, sämtliche Sehnsuchtsmotive. Flath erträgt seinen Kriegsdienst mit Gelassenheit und der Gewissheit, dass sein Heim und sein Atelier auf ihn warten.
1946 - 1979
1946 Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft
1952 Gründung des Otto Flath - Kreises durch Lydia Peters
1967 Der Freundeskreis erhält eine Satzung und wird in das Vereinsregister eingetragen
1971 Otto Flath wird Ehrenbürger der Stadt Bad Segeberg
1977 Tod Wilhelm Burmesters
1978 Tod Ellen Burmesters
1978 Gründung der kommunalen Otto-Flath-Stiftung
1979 Eine Straße in Bad Segeberg wird nach Otto Flath benannt
Nach Ende des Krieges und der Gefangenschaft nahm Flath seine Arbeit wieder auf.
Zwei wichtige Arbeiten aus den Nachkriegsjahren sind "Die Wiederkunft Christi" und "Das Ewige". Sie sind nicht nur bildhauerisch wichtige Stationen, sie zeigen auch den nebeneinander sich widersprechender geistigen Bereich. Flath ist immer noch auf der Suche.
Während in "Die Wiederkunft Christi" die Figuren schon etwas gelöster und befreiter sind und mehr in Bewegung kommen, zeigt "Das Ewige" mit seiner expressionistischen Kraftentfaltung noch viel von der inneren Problematik Flaths. Die Figuren in dieser Arbeit sind gebunden und treiben, in das Ewige eingehüllt, bewegungslos mit dem Strom dahin. Trotzdem zeigt die ganze Konzeption den Willen zur Kraftentfaltung und Weiterentwicklung, so, als würde er das, was ihn bindet, zerreißen wollen.
Flath bearbeitet in diesen Jahren auch Themen, die über den inneren Kreis der Familiengemeinschaft hinausgehen. Er nimmt Teil an dem, was in seiner Umgebung geschieht und setzt es in bildhauerische Arbeiten um. Er schafft viele Portraits von Freunden und Bekannten. Als ein Junge aus der Nachbarschaft bei dem Versuch, einen Schulkameraden aus einem See zu retten, ertrinkt, schneidet Flath auch sein Portrait in Holz.
Sein wichtigstes Arbeitsgebiet sind und bleiben aber die christlichen Altarwerke, die er sowohl für evangelische als auch katholische Kirchen schafft. Sie tragen zur Vergrößerung seines Bekanntheitsgrades bei, aber auch dazu, daß Flath bei seinem Publikum mehr und mehr als "religiöser Künstler" gilt. Auch die meisten seiner Auftragsarbeiten gehen in den religiösen Bereich. Die Idee, Altäre zu schaffen, kommt von Ellen Burmester.
Von 1934 bis 1950 entstehen 20 Altäre, die Hälfte aller seiner Altarwerke. Insgesamt verzeichnet das Archivbuch 376 Arbeiten. Das sind auf der Hälfte seines Lebensweges etwa 10 % aller seiner Plastiken.
Ende der fünfziger Jahre kommt ein neuer Themenbereich in Flaths Schaffen. 1958 entsteht "Die Musik". Flath wendet sich nicht von den religiösen Themen ab, aber er nimmt neue Bereiche des menschlichen Lebens auf. "Die Musik" ist ein thematisch leichtes, unbeschwertes Werk. Sein großes Können als Portraitist macht das monumentale Werk besonders interessant, indem er die Charaktere der dargestellten Musiker im Wesentlichen erfasst.
Vor dem Jahr 1958 klingt dieses Thema in seinem Werk nicht an.
Auch Themen aus den Bereichen fremder Mythologien kommen nur in einzelnen Ansätzen vor.
Obwohl seine Themen sich kaum ändern, erreicht Flath in der Ausführung seiner Werke eine große, mit viel Humor gezierte Leichtigkeit.
Immer öfter tragen einzelne Plastiken im Werkeverzeichnis keinen Titel.
Ende der sechziger Jahre erscheint die Musik als Thema wieder häufiger in seinen Arbeiten. Noch sind diese Arbeiten eher illustrierend, werden dann aber in den siebziger Jahren, besonders deutlich am Thema "Harfe" zu sehen, ins Allegorische gehoben.
Ab Ende der siebziger Jahre gibt es keine lückenlose Aufzeichnung seiner
Arbeiten mehr. Aus dem großen Bestand von Bildern, die Flath hinterlassen hat (ca. 10000),
und die er immer nur eine Nebenbeschäftigung nannte, sehen wir aber, dass ab 1978 dieser Bereich im Wirken Flaths einen immer größeren und in künstlerischer Hinsicht bedeutenderen Platz einnimmt.
1981 - 1987
1981 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes am Bande durch Bundespräsident Carl
Karstens
1985 Jubiläumsausstellung aus Anlass des 50jährigen Wirkens als Bildhauer und Maler
in Bad Segeberg
1986 Der Otto-Flath-Kreis e.V. wandelt sich wieder in einen offenen Freundeskreis
Die achtziger Jahre sind hauptsächlich von seiner Arbeit als Maler geprägt. Während seine Plastiken leichter und immer transparenter werden, entdeckt er in der Malerei einen neuen Anfang für sich. Seine Aquarelle sind voll ursprünglicher Kraft. Er experimentiert und sucht nach neuen Wegen. Er fängt überdies an, abstrakt und gegenstandslos zu arbeiten. Die Farbintensität und Bewegung in seinen Bildern findet man selten in den Alterswerken anderer Künstler. Flath hat sich etwas Jugendliches entweder bewahrt, oder er hat es wieder gefunden.
In der Nacht vom 9. auf den 10. Mai 1987 stirbt Otto Flath in seinem Haus in der Bismarckallee.
Otto-Flath-Stiftung
Ellen Burmester und Otto Flath suchten nach einer möglichst effektiven, gemeinnützigen Form der ständigen Aufbewahrung und Nutzung der Werke und empfahlen der Stadt Bad Segeberg die Einrichtung einer Stiftung. Am 14.09.1977 schlossen sie einen Überlassungsvertrag über die Abtretung der bildhauerischen und zeichnerischen Werke, der Gemälde von Willy Burmester, der Kunsthalle und des Hauses Bismarckallee 5 zum 01.10.1977 an die Stadt. Die Stadt Bad Segeberg verpflichtete sich ihrerseits, diesen Fundus „der noch zu gründenden Otto-Flath-Stiftung zu Eigentum bzw. zur Nutzung zu überlassen und dieser Stiftung an dem Grundstück ein dauerndes Nutzungsrecht einzuräumen".
Am 11.10.1977 wurde dieser Vertrag durch Zustimmung der Stadtvertretung rechtskräftig. Ein halbes Jahr später, am 21.02.1978 beschloss dasselbe Gremium einstimmig die Satzung der Stiftung. Sie verfügt über zwei Organe, das Kuratorium und den Beirat.